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20.09.2008

Das “offene Bein” heben wir mit einer Bahre auf die Ladefläche, die “kaputte Hand” steigt vorne ein.

Wir ziehen los, mit ganz großen Schritten…, um zu scheitern. Tashi hat zu, die Bäckerei vorm Haus zu, Dico’s zu, also Kommando zurück zur Bäckerei auf halben Weg zu Tashi. Mit - Achtung Überraschung - süßem Brot / Gebäck kehren wir zurück ins Hotel und “frühstücken” mit einer Tasse grünen Tee im Zimmer. 9:30 Uhr: Auf geht’s zum Tashilhumpo-Kloster, dem Sitz des Penchan-Lamas. Auch wenn es “wieder ein Kloster” ist, beeindruckt es uns doch wieder, v.A. die Stupa des Pechan Lamas. Jimmy erklärt außerdem einiges über dessen mysteriöse Todesumstände und wir lernen, dass es momentan zwei Penchan Lamas in Peking gibt: Einen tibetischen und einen von den Chinesen auserwählten. Ein paar chinesische Staatsleute sind auch zu Besuch. Wir vier Deutschen sind bei den anderen deutschen Reisegruppen schon für unseren Mördertrip bekannt. Besonders Jörg aus Lüneburg beneidet uns um Kathmandu, denn seine Frau war vor 30 Jahren bereits dort. Nach dem Kloster meldet sich der Hunger zu Wort. Zwei Lokale stehen zur Auswahl, eins “wo die Touristen gern hingehen” und das tibetische, fuer das wir uns entscheiden. Jimmy bestellt für uns Nudelsuppe mit gutem Suppenfleisch, Kartoffeln und die wohl bisher besten Yak-Momos, hausgemacht! Die Getränke werden schnell von der Wirtin um die Ecke ergattert. Mit 44 Yuan wird unser 10 Euro Budget p.P. kaum berührt. Die Fahrt nach Sakya verläuft nicht ohne Zwischenfall. Wir erreichen eine Unfallstelle. Nachdem bereits eine große Menschenmenge vor Ort ist, denken wir uns erstmal nichts und packen gemütlich das Verbandszeug zur Sicherheit aus. Jimmy bildet die Vorhut und will mal nachsehen was los ist. Mit Tatütata geht’s zur Unfallstelle. Ein quer liegender LKW auf der Straße und ein etwas lädierter Landcruiser der sich den Straßengraben als Landeplatz ausgesucht hat. Die kaputte Seiten-/Vorderfront zerstört bzw. eingedrückt. Mit dem Erste-Hilfe-Set geht’s auf ins Gefecht. Der erste Patient wird schon von Jimmy aufgeschnitten - bzw. seine Hose. Irgendwo scheint Blut hervorzukommen. Unterm Knie macht sich eine klaffende Fleischwunde bemerkbar. Wir schlagen dem tibetischen Verletzten erstmal vor, sich mal besser hinzusetzen. Jimmys erster Versuch ein Loch in die Hose zu schneiden ist zu zaghaft. Die Hose muss weg. Wir bauen einen Verband um das Knie. Als wir mit dem ersten Patienten fertig sind, kommt noch einer mit einer großen Hand. Hier haben wir keine Ahnung und sprühen und verbinden mal drauf los. Anscheinend etwas rabiater. Nach gefühlten Stunden und einer völlig nutzlosen Polizei kommt ein Pick-Up für die Verletzten angefahren. Das “offene Bein” heben wir mit einer Bahre auf die Ladefläche, die “kaputte Hand” steigt vorne ein. Wir geben noch Tipps mit auf den Weg, dann ist unsere Arbeit erledigt. Ein paar Dinge / Zitate, über die wir im Nachhinein einerseits schmunzeln mussten, andererseits erschrocken waren:
  • Obwohl der Unfall schon länger her war, war keine Hilfe unterwegs
  • “Bring Tempos! - Nein, kein einzelnes!”
  • “Den sch… Stecken brauch’mer nimmer!”
  • Viele Gaffer, vom nackigen Jungern bis zum Mann mit Harke auf dem Rücken
  • Die örtliche Ambulanz (=Pick-Up eines Bauern)
  • “Soll ‘kaputtes Bein’ auf den Beifahrersitz oder auf die Ladefläche?”
  • Der Zustand des Autos (Fahrerseite aufgerissen, LKW auf der Seite) hätte schlimmeres vermuten lassen
  • “Bleibt einer beim Auto!”
  • “Da is’ Saft, der enthält Zucker!’ - Wir wollten eigentlich die Wunde auswaschen…
  • Als die Bahre da war wäre ‘kaputtes Bein’ beinahe an genau diesem hochgehoben worden - “Stop! We do it!”
  • “Zieh an! Zieh an!”
  • Nichtsnutzige Polizisten
  • Rauchender Freund / LKWs die zum gaffen anhalten
Als alles vorbei ist und wir mit schlotternden Knien weiter fuhren kommen wir zu einem Pass mit wehenden Gebetsfahnen - 4500 Meter hoch. Evy haut’s hin, die nächsten Schrammen in der Kamera. Wir treffen einen Verrückten aus Augsburg, der von Lhasa nach Kathmandu radelt (”Ich hab zu meiner Frau gesagt, ich komm’ wieder!”). Einige Zeit später kommen wir schließlich in Sakya an. Das Kloster hat um diese Zeit bereits geschlossen. Da wir alle schon sooo lang kein Kloster mehr gesehen haben bedauern wir dies natürlich zutiefst. Kurzer Aufenthalt im Hotel mit Tagebuch schreiben, dann geht’s mit Jimmy und dem Fahrer zum Essen. Sehr gemütliches Lokal, am Nachbartisch spielen ein paar Einheimische ein tibetisches Würfel-/ Trinkspiel. Essen wie immer, dauert ewig und schmeckt passabel. Dann können wir Jimmy und Fahrer dazu überreden sich von uns auf eine Cola einladen zu lassen und es wird lustig: Der Fahrer hat nicht nur eine Freundin, sondern mehrere entlang der Strecke. Wir erfahren, dass Jimmy in Gyantse nur deshalb allein in der Hotellobby saß, weil der Fahrer in der Bar nur am Flirten war. Jimmy meint er sei in festen Händen und ergänzt noch “In Lhasa…”. Katrins Missverständnis “Yes, because the driver and the guide always share a room” trägt zur allgemeinen Erheiterung bei. Die Bedienung ist für beide kein Objekt der Begierde, sie ist vergeben! Außerdem erklären wir Jimmy, dass Zigaretten rauchen mit Halter, wie es der Fahrer praktiziert, bei uns nur feine Damen tun. Alles in allem haben wir viel Spaß und machen uns gegen 22:00 Uhr auf den Weg zurück ins Hotel. ein ereignisreicher Tag geht zu Ende und wir fallen müde ins Bett.